Freitag, 18. Juli 2008
Porträt eines "wundervollen" Unternehmens
Der folgende Artikel charakterisiert ein Unternehmen mit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen, er erschien am 30.April im Handelsblatt anlässlich der Übernahme von Wrigley durch Mars mithilfe der Finanzierung von Berkshire.
Der Mars-Clan
Wie die CIA
von Torsten Riecke
Sie führen ihre Geschäfte äußerst sparsam, streng und diskret. Deshalb gibt es von John und Forrest Mars keine Fotos. Wer sind die beiden amerikanischen Schokoriegel-Milliardäre, die jetzt den Kaugummihersteller Wrigley übernehmen?
Die Familie Mars macht Milliarden mit Schokoriegeln wie Mars. Foto: dpa
NEW YORK. Jeder kennt ihre Produkte, aber kaum jemand kennt die Eigentümer. Selbst an jenem Tag, an dem der US-Schokoriegelhersteller Mars den Kaugummigiganten Wrigley für 23 Milliarden Dollar schluckt, schweigt die Familie. Eine spärliche Pressemitteilung auf der Webseite und ein paar Managerfloskeln vom „Global President“ Paul Michaels müssen genügen.
Der Mars-Clan lässt selbst Anfragen vom „Wall Street Journal“ unbeantwortet. Dass sich ein Markenunternehmen, dessen Erfolg entscheidend vom Bekanntheitsgrad seiner Produkte abhängt, derart öffentlichkeitsscheu zeigt, gehört zu den vielen Widersprüchen, die sich um das Schoko-Imperium ranken.
Mit ihrer Geheimnistuerei übertreffen die Mars-Menschen noch ihre berüchtigten Nachbarn. Nur wenige Kilometer vom Firmensitz in McLean im US-Bundesstaat Virginia entfernt befindet sich das Hauptquartier des US-Geheimdienstes CIA. Dort sickern zumindest hin und wieder Informationen und Skandale ans Licht der Öffentlichkeit. Nicht so bei Mars. Nicht einmal Bilder gibt es von den Familienpatriarchen John und Forrest Mars Jr. „Wir wissen mehr über den Roten Planeten als über den gleichnamigen Schokohersteller“, lästert ein Branchenkenner.
Alle, die mehr über Mars wissen wollen, sind deshalb auf Geschichtsbücher und Gerüchte angewiesen. Historisch belegt ist zum Beispiel, dass die Erfolgsgeschichte des Schokoriegels 1911 in der Küche von Frank C. Mars in Tacoma/Washington ihren Anfang nahm. Zusammen mit seiner Frau Ethel produzierte der Firmengründer Süßigkeiten aus Buttercreme. Daraus wird eine kleine Fabrik mit 125 Mitarbeitern, die expandiert und 1920 nach Minneapolis verlegt werden muss. Der Durchbruch gelingt 1923 mit dem Schokoriegel „Milky Way“, sieben Jahre später folgt „Snickers“.
Inzwischen ist Mars nach Chicago umgezogen und hat seinen Sohn Forrest E. Sr. in den Familienbetrieb geholt. Nach einem Familienkrach geht der mit 50 000 Dollar und der Geheimformel für „Milky Way“ in der Tasche nach England, gründet dort seine eigene Firma und kehrt während des Zweiten Weltkriegs mit einer neuen Produktidee (M&M’s) zurück nach Amerika. Dort vereinigt er seine Firma mit dem Unternehmen seines Vaters zur Mars Inc. Forrest Sr. ergänzt die Produktpalette um „Uncle Bens’s Rice“ und Tierfutter wie „Whiskas“, „Pedigree“ und „Sheba“. 1973 übernehmen seine Söhne John und Forrest Jr. das Steuer des inzwischen weltweit tätigen Konzerns. Das hält den Senior aber nicht davon ab, bis zu seinem Tod 1999 ins Tagesgeschäft hineinzureden.
John und Forrest Jr. erben von ihrem Vater nicht nur ein florierendes Unternehmen, sondern auch einen überaus eigenwilligen Führungsstil. Damit bewegen wir uns von der Historie in die Welt der Legenden, die vor allem durch spärliche Hinweise ehemaliger Mars-Manager gespeist werden. Die „Mars-Brüder“ gelten in der Branche als ruppig im Umgang. Der Journalist Bill Saporito führt das auf eine Familientradition zurück. Bereits Firmengründer Frank habe seinen Sohn Forrest Sr. mit harter Hand erzogen, was der an seine Söhne weitergegeben habe. Zur Familientradition gehört auch ein fast manisches Qualitätsbewusstsein. Nächtliche Beschwerden der Eigentümer bei Mitarbeitern über ein verrutschtes „M“ auf den Schokoerbsen kommen schon mal vor. Zu den Gerüchten gehört, dass die Manager des Konzerns persönliche Geschmacksproben von allen Produkten vornehmen müssen.
Auf den ersten Blick widersprüchlich ist auch der Umgang mit dem Geld. Im Firmenalltag wird jeder Cent zweimal umgedreht. Großraumbüros sind üblich, Firmenwagen und Sekretärinnen dagegen verpönt. Selbst die „Mars-Brüder“ sollen bei einem Werksbesuch in England mit einem Ford Fiesta angereist sein – trotz ihres Privatvermögens von je rund 14 Milliarden Dollar. Die Mars-Brüder sind zwar Pfennigfuchser im Alltag, bezahlen ihren Angestellten aber oft das Doppelte dessen, was in der Branche üblich ist.
Zu den Gutbezahlten zählt auch Mars-Präsident Paul Michaels. Er ist seit mehr als zehn Jahren im Unternehmen und übt seit vier Jahren seine leitende Funktion aus. John und Forrest Jr. mischen aber weiter mit.
Michaels hat offenbar den Deal mit Wrigley eingefädelt. Am 11. April traf er sich erstmals mit Bill Wrigley Jr. Das Treffen fand in Michaels’ Küche in McLean statt. Serviert wurden Sandwiches. Das passt zur hemdsärmeligen Firmenkultur von Mars.
Aus der Küche zum Weltkonzern
1911
Frank C. Mars und seine Frau stellen in ihrer Küche Bonbons her. Später eröffnen sie die erste Fabrik.
1923
Sie bringen den Schokoriegel Milky Way auf den Markt.
1932
Sohn Forrest E. Mars wandert nach England aus und bringt dort eine andere Version von Milky Way heraus. Nach dem Tod des Vaters kehrt er in die USA zurück, führt die M&M’s ein. Ihm gelingt es 1964, alle Anteile an der Firma des Vaters zu übernehmen.
1969
Forrest E. Mars übergibt das Unternehmen an Forrest E. Junior, John F. und Jacqueline.
2004
Paul Michaels wird Präsident von Mars.
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